TOOLING MATTERS! Status quo in der Zusammenarbeit zweier Weltmarktführer

Im April 2021 jährt sich die Partnerschaft zwischen der Schweizer BOBST und dem fränkischen Mittelständler CITO zum ersten Mal. Was wurde trotz des schwierigen Jahres erreicht?

Zunächst lag der Fokus auf Stanzwerkzeugen für den Bereich Faltschachtel – eine logische Konsequenz aus dem bereits begonnenen Zertifizierungs­programm von BOBST genau in diesem Bereich. Gemeinsam wurde das Konzept High Performance Tooling ins Leben gerufen. Hierbei geht es darum, sowohl Werkzeugherstellern als auch der verarbeitenden Industrie Standards an die Hand zu geben. Damit soll es möglich werden, Werkzeuge zu klassifizieren, um Klarheit darüber zu schaffen, was man für sein Geld bekommt. 

TOOLING MATTERS!

Bisher konnte ein Verarbeiter nur zwischen Werkzeugen verschiedener Anbieter auswählen. Um diese Auswahl zu erleichtern, wurde das Zertifizierungsprogramm von BOBST ins Leben gerufen. Wer also seine Werkzeuge bei einem zertifizierten Betrieb bestellt, kann sicher sein, dass die Qualität und Performance im Zusammenhang mit BOBST Stanzmaschinen stetig kontrolliert wird. Um ein solches Zertifikat zu erhalten, müssen Werkzeugproduzenten die von BOBST geforderten Voraussetzungen erfüllen und Testwerkzeuge werden einem Performancetest unterzogen. Das Zertifikat ist somit ein Qualitätssiegel für den Betrieb, der sich zudem regelmäßig Audits durch BOBST unterzieht. Natürlich werden die Testwerkzeuge strikt nach den Vorgaben von BOBST produziert; dies beinhaltet auch das eingesetzte Material. Es kommen nur Bauteile und Materialien zu Einsatz, die eine optimale Maschinenleistung garantieren. Dies gilt auch für die Werkzeuge, die mit Neumaschinen ausgeliefert werden.

Sowohl die Möglichkeiten als auch die Herausforderungen an die Karton- und Papierverarbeitung sind in den letzten Jahren stetig gewachsen. Durch den steigenden Onlinehandel werden kleinere Verpackungseinheiten in hoher Vielfalt benötigt. Im Sinne der Nachhaltigkeit versucht man dabei weitestgehend auf Plastik zu verzichten; und beim Stanzgut hat man es mit einem hohen Anteil an Recyclingmaterial zu tun. Gleichzeitig wird maschinenseitig eine immer bessere Laufleistung angeboten. Bisher konnte die Werkzeugtechnik da nicht schritthalten. Es ist sicher logisch zu verstehen, dass die Anforderungen insbesondere an Werkzeuge entsprechend stark steigen, wenn man statt 7.000 Bogen heute 11.000 Bogen pro Stunde stanzen will.

Das richtige Elastomer

Parallel zu dieser Entwicklung standen die Werkzeugproduzenten unter einem erheblichen Preisdruck. In den letzten 10 Jahren sind in Europa die Preise für Stanzwerkzeuge um nahezu 50 % gefallen. Dieser Effekt ist allerdings durch die Komplexität der Werkzeuge etwas verschleiert worden. Heute besteht ein Werkzeugsatz in der Regel immer aus Stanzwerkzeug, Ausbrechform und Nutzentrennwerkzeug. In diesem Szenario waren Werkzeughersteller gezwungen, in Rationalisierungsmaßnahmen zu investieren; dies ist sicher ein nützlicher Effekt, allerdings sind die Möglichkeiten der Rationalisierung nicht unbegrenzt.

TOOLING MATTERS!

Als weitere Möglichkeit wurde der Einsatz billigerer Materialien genutzt, was nicht unbedingt zu einer Verbesserung der Werkzeugperformance geführt hat. In vielen Fällen wurden Materialien verwendet, die in großem Volumen für andere Industrien produziert werden. Diese Materialien sind allerdings nicht für den Stanzprozess entwickelt und haben meist auch nicht die erforderlichen physikalischen Eigenschaften. Als ein Beispiel sind hier die verwendeten Elastomere zu nennen. Beim Stanzen mit Flachformen ist deren Aufgabe im Prozess, das Material auf der Stanzplatte zu fixieren und den Rückfederungsprozess des Stanzgutes zu unterstützen. Im rotativen Stanzprozess sind die Aufgaben der Elastomere in der Stanzform noch weitaus komplexer und vielfältiger.

Aus Kostengründen werden heute bei sehr vielen Stanzformen Elastomere aus der Automobilindustrie, dem Maschinenbau oder gar aus dem Baugewerbe verwendet. Diese wurden entwickelt, um zu dichten oder dämpfend bzw. gegen Feuchtigkeit zu wirken. Alles Anforderungen, die in unserer Industrie komplett irrelevant sind. Zusätzlich sind diese Materialien auch nicht resistent gegen UV-Licht und verlieren durch Lagerung ihre mechanischen Eigenschaften. Die Folge dieser Entwicklung sind zu lange Rüstzeiten, kein konstanter Produktions-Flow, reduzierte Laufleistung des Maschinenparks, verkürzte Nutzungsdauer und nicht zuletzt Ressourcen-Verschwendung durch zu hohen Ausschuss. Die Empfehlung ist also, darauf zu achten, dass nur Elastomere zum Einsatz kommen, die speziell für den Stanzprozess in der Karton- und Papierindustrie entwickelt wurden. Bei solchem Material ist selbstverständlich auch der mögliche Einsatz bei der Produktion von Lebensmittel­verpackungen berücksichtigt.

Siegel geben Auskunft

Um den Werkzeugnutzern die Möglichkeit zu geben, zu überprüfen, welche Materialien verwendet wurden, wurden verschieden Qualitätssiegel geschaffen. Das Thema BOBST-Zertifizierung wurde bereits angesprochen. Die anderen Siegel geben darüber Auskunft, dass nur spezielle Elastomere für den Prozess verwendet wurden, die zudem auch über ein ISEGA-Zertifikat verfügen. Diese Zulassung für Lebensmittelverpackung umfasst nicht nur das reine Material, sondern auch die Klebstofftechnik, mit der die Elastomere auf der Stanzform befestigt werden. Dieses System wird mit EasyFix bezeichnet und garantiert, dass die Klebstoffe keine gesundheitsschädlichen Chemikalien enthalten. Zudem verhindert dieses System, dass Stanzlinien mit dem Trägermaterial verklebt werden – was ansonsten einen erheblichen Mehraufwand bei den Maschinenrüstzeiten verursacht.

Das Siegel „HPT“ sagt aus, dass es sich bei dem Werkzeug um ein High Performance Tooling handelt. In diesem Fall wurden alle Anforderungen von BOBST an ein Hochleistungswerkzeug erfüllt. Selbstverständlich beinhaltet dies auch Elastomere mit ISEGA-Zertifikat, EasyFix und einer Funktionalität über die gesamte Lebensdauer des Werkzeuges. Mit HPT-Werkzeugen sind Anwender immer auf der sicheren Seite und auf alle Herausforderungen im Stanzprozess vorbereitet.

Richtige Technik spart Kosten

Kommen wir abschließend nochmals auf den Kosten-Nutzen-Aspekt zu sprechen. Wie bereits erwähnt, sind die Preise für Werkzeuge auf einem absoluten Tiefststand. Ob es in dieser Situation nützlich ist, zu versuchen, die Einkaufspreise noch weiter zu drücken, muss natürlich jeder selbst entscheiden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass jedem bewusst ist, dass Qualitätswerkzeuge ihren Preis haben. Es ist eine allgemeine Weisheit: Man bekommt immer das, wofür man bezahlt. Anwender entscheiden also selbst, ob Sie für Ihre Aufgaben ein Standard- oder ein HPT-Werkzeug verwenden. Doch auch bei Standardwerkzeugen spielt die Produktionsperformance eine entscheidende Rolle in der Kostenbetrachtung und hier sollte ebenfalls auf geeignetes Material geachtet werden. Um die Kosten-Nutzen-Betrachtung zu erleichtern, haben wir eine Beispielrechnung für ein mittelgroßes Faltschachtelwerk aufgestellt. Angenommen, dem dortigen Einkäufer würde es gelingen, die Preise für seine Werkzeuge um 5 % zu drücken, könnte er ein „Einsparpotential“ pro Jahr und Maschine von ca. € 9.300 erreichen. Würde man im gleichen Werk hingegen eine bessere Werkzeugtechnik einsetzen und damit die Produktionsgeschwindigkeit auf ca. 80 % der Leistungsfähigkeit der Maschinen bringen, läge die zusätzliche Wertschöpfung pro Jahr und Maschine bei ca. € 280.000. Bei diesem Vergleich wurden bereits die höheren Kosten für HPT-Werkzeuge berücksichtigt. Es ist also alles eine Frage der richtigen Balance, nur eines ist unstrittig: TOOLING MATTERS.

Jürgen Mariën
CEO CITO GROUP

April 2021

Bilder: BOBST