Revolution beim Thema konstante Rillqualität

Qualität muss man messen können – alles, was gemessen wird, kann auch verbessert werden

„Wenn man sich mit Qualität und Forschung beschäftigt, sind subjektive Qualitätsmerkmale ein Albtraum. Seit Jahrzehnten beschäftigt mich die Frage, wie man den Rillprozess verbessern kann, denn durch die Rillung wird die Funktionalität jeder Verpackung maßgeblich bestimmt. Um den Prozess zu verbessern, muss natürlich zunächst der Status quo festgestellt werden und dies hat sich als extrem schwierig herausgestellt.“

Rillqualität im Produktionsprozess wurde stets vom subjektiven Empfinden der Mitarbeiter an der Stanzmaschine abhängig gemacht. Qualitätstests erfolgten dann auf sensiblen Biegesteifigkeits­messgeräten im Qualitätslabor. Hier wurde dann aber meist auf die Kartonqualität abgestellt, die Rillwulst selbst war nur in den seltensten Fällen ein Thema. Betrachten wir zunächst den Vorgang des Rillens. Im Prozess wird mittels einer Rilllinie und einer Matrize ein Berstdruck aufgebaut. Dadurch kommt es zur kontrollierten Lagentrennung im Karton, welche die Stabilität gezielt reduziert, und es wird möglich, den Karton positionsgenau zu falten. An dieser Stelle will ich nicht näher darauf eingehen, welche Materialien von der Druckseite und welche Materialien von der Innenseite bearbeitet werden. Dies ist material­abhängig und hat auch mit der gewünschten Form der fertigen Verpackung zu tun.

Bei Papier und Karton haben wir somit einen klaren Unterschied bei der Verformung gegenüber Feststoffen wie Metall oder Kunststoff. Papier und Karton besteht aus einem mehrlagigen Faserverbund, welcher beim Rillvorgang gezielt getrennt wird. Wie bei jeder industriellen Produktion ist es aber erklärtes Ziel, Prüfungen möglichst nahe an den Produktionsprozess heranzubekommen. Denn nur dadurch kann teurer Ausschuss an Material und Wertschöpfung vermieden werden. Es kann also nicht befriedigend sein, wenn man bei der produktionsnahen Qualitätsprüfung auf sensitive und optische Wahrnehmungen der Mitarbeiter angewiesen ist.

Eine Rillwulst mit bloßem Auge oder die Faltqualität mit der Hand zu prüfen, ist mit Sicherheit keine reproduzierbare Qualitätsprüfung. Hier soll ganz sicher nicht die Erfahrung der Stanzmaschinen­führer in Zweifel gezogen werden, aber es ist nun mal Fakt, dass es für Erfahrung keine Norm und keinen Messwert gibt. Es dient also der Produktions­sicherheit, wenn die Mitarbeiter an den Stanzmaschinen ein Messgerät zu Hand haben, welches exakte und reproduzierbare Werte liefert.

In unseren Messreihen haben wir ermittelt, in welchem Zusammenhang die Ausprägung der Rillwulst mit dem Biegewiderstand steht. Wir haben also Prüfmuster einer doppelten Prüfung unterzogen. Mittels moderner optischer Messgeräte, z.B. dem Messgerät CREASY, lässt sich die Ausprägung der Rillwulst berührungslos messen. So ist es möglich, die identischen Muster anschließend einer exakten Biegesteifigkeits­untersuchung zu unterziehen.

Mit Hilfe von Highspeed-Videotechnik wurde der Rillprozess in die kleinstmöglichen Schritte zerlegt, um herauszufinden, wie er funktioniert.
Im Labor: Messung der Biegesteifigkeit

In unserer Testreihe haben wir ein Messgerät der Firma Lorentzen & Wettre verwendet, welches in unserem Qualitätslabor zur Verfügung steht. Es ist uns gelungen, einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Rillwulst und Biegesteifigkeit nachzuweisen. Somit können also für jedes Material objektive Qualitätstoleranzen festgelegt werden, Rillqualität wird somit messbar. Dies war aber nur ein erster Schritt, denn Ziel ist es, noch näher an den Prozess zu kommen.

Also galt unsere nächste Aufmerksamkeit, den Zusammenhang zwischen dem Grad der Abnutzung der Rillkanäle und der Ausprägung der Rillwulst zu untersuchen. Bisher war man auch hier auf wenig wissenschaftliche Methoden angewiesen. Rillkanäle wurden ebenfalls mit Messlupen oder noch extremer mit Messschiebern vermessen. Eine solche Prüfung kann unmöglich einer Überprüfung durch mikroskopische Untersuchungen standhalten. Es ist aber auch nicht praktikabel, neben jeder Stanzmaschine ein optisch justierbares Mikroskop zu platzieren. Es galt also, ein portables, robustes Messgerät zu entwickeln, welches in der Produktion die Durchführung unbestechlicher optischer Messungen der Rillkanäle ermöglicht. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Kanäle sich in Rillstreifen, Rillmatrizen oder in Stanzrillplatten aus Stahl befinden. Denn alle bisher eingesetzten Materialien sind einem Abnutzungsprozess unterworfen.

Mittels unseres Stanzsimulators waren wir in der Lage, mehrere Hunderttausend Stanzungen durchzuführen und dabei den Abnutzungsgrad der Gegenmatrizen zu prüfen. Unsere Tests wurden mit einem 300 g/m² RenoDiMedici Serviboard GD2 und Rilllinien 23,4 × 0,71 mm durchgeführt. Dabei wurden Rillstreifen, Pertinaxmatrizen und Stahlplatten mit Nutkanälen 0,4 × 1,3 mm mit Faserlauf und 0,4 × 1,4 mm gegen Faserlauf eingesetzt.

Bis 150.000 Stanzungen wurden sowohl beim Rillstreifen als auch bei Pertinax Abnutzungen der Rillkanten festgestellt, die Stahlplatte zeigte hier noch keine messbaren Abnutzungen der Rillkanten. Bei Rillstreifen und Pertinax führte dies zu einer Verbreiterung der Rillwulst und somit zu einer schleichenden Verschlechterung der Lagentrennung. Die Messwerte auf der Lorentzen & Wettre lagen auch beim eingesetzten Rillstreifen noch im Toleranzbereich. Der Test wurde dann in einem Praxistest bei einem Kunden wiederholt. Dabei wurden 130.000 Bogen auf einem Stanzautomaten eines Schweizer Herstellers gestanzt, Werkzeug- und Gegenzurichtungsparameter waren identisch mit dem Test auf der Simulationsstanze.

Die Vermessung der Rillwulst und der Kanalabnutzung ergaben Werte, die nur minimal von den Messwerten im Labortest abwichen. Die Abweichungen bei der Rillwulstbreite lagen zwischen 0,01 und 0,03 mm. Bei derartig geringen Abweichungen kann davon ausgegangen werden, dass die Ergebnisse als vergleichbar gewertet werden können. Um in den Grenzbereich der jeweiligen Rillmatrize zu kommen, wurde der Versuch auf 1,1 Mio. Stanzungen ausgedehnt. Beim Rillstreifen wurde der kritische Punkt bei 168.000 Stanzungen erreicht, bei Pertinax wurden die Qualitätsparameter bei 313.000 Stanzungen erreicht und selbst bei der Stahlplatte waren einseitige Abnutzungen in Zugrichtung feststellbar; ab 623.000 Stanzungen war auch bei der Stahlmatrize feststellbar, dass die Rillwulst eindeutig asymmetrisch ausgeprägt war.

Um das Testergebnis zu erhärten, wurden weitere Versuche mit unterschiedlichen Materialien vorgenommen. Dabei hat sich klar herausgestellt, dass eine generelle Aussage über die Nutzungsdauer von Rillkanälen nicht seriös ist. Unterschiedliche Materialien führen zu erheblichen Abweichungen bei der Entwicklung der Rillwulst über den gesamten Stanzprozess. Bis zu diesem Punkt kann man die Testergebnisse als rein wissenschaftliche Untersuchung bewerten, bei der nachgewiesen wurde, dass eine Aussage über eine generelle Nutzungsdauer von Rillkanälen unredlich ist.

Was nützt diese Feststellung aber der karton- und wellpappeverarbeitenden Industrie? Zumindest können messbare Qualitätsparameter festgelegt werden und der Austausch der Rillkanäle erfolgt nicht mehr nach dem subjektiven Eindruck einzelner. Grundsätzlich war das Ergebnis jedoch unbefriedigend.

„In Zeiten höchster Qualitätsansprüche der verpackenden Industrie ist es notwendig, konstante Qualität auch bei Verpackungen zu liefern.“

In Zeiten höchster Qualitätsansprüche der verpackenden Industrie ist es notwendig, konstante Qualität auch bei Verpackungen zu liefern. Denn selbst wenn sich die Rillung hinsichtlich des Biegewiderstands innerhalb akzeptabler Qualitätsparameter bewegte, war eine konstante Rillqualität mit keiner Rillmatrize zu erreichen. Bisher mussten alle mit einer schleichenden Verschlechterung der Lagentrennung und des Biegewiderstands leben – ein Zustand, der für jemanden, der sich seit 35 Jahren mit der Thematik beschäftigt, nicht akzeptabel ist.

Mit Hilfe von Highspeed-Videotechnik haben wir also den Rillprozess in die kleinstmöglichen Schritte zerlegt, um herauszufinden, wie er funktioniert. Mit dieser Technik war es möglich, die Details der Rillung in Stanzautomaten sichtbar zu machen. Klar war: Der Stanzprozess führt automatisch zur Deformation der eingesetzten Rillkanäle. Durch entsprechend härtere Materialien konnte der Abnutzungsprozess zwar verzögert, aber nicht beseitigt werden.

Bei der Videountersuchung wurde ein weiteres Phänomen sichtbar. Je härter das Material, aus welchem die Rillkanäle gefertigt wurden, umso schwieriger wurde es, den Produktionsprozess zu beherrschen. Bei Stahl gibt es praktisch keinen Rückfederungseffekt mehr. Der Greifer muss das Material faktisch aus dem Rillkanal ziehen. Dadurch wird der Effekt, ohne erhabene Rillkanäle auf der Stanzplatte zu arbeiten, weitestgehend aufgehoben.

Auch beim Einsatz von Stanz-Rillplatten kommt es zur Überlastung der Haltepunkte und somit zum Bogenabriss. Mit zunehmender Dauer der Untersuchungen wurde immer klarer, dass eine gewisse Flexibilität der Rillkanäle nützlich im Stanzprozess ist. Um ein optimales Ergebnis zu erzielen, muss also ein Kompromiss zwischen Nutzungsdauer und Flow in der Produktion gefunden werden.

„Ende 2015 ist dann der Durchbruch gelungen: Rillkanäle, gefertigt aus einer untrennbar verbundenen, mehrlagigen Materialkombination.“ 

Das erklärte Ziel war es, einen neuen Rillkanal zu entwickeln, der immer gleichbleibende Parameter garantiert, und dies über einen möglichst langen Zeitraum. Das Stanzgut – Papier, Karton oder Wellpappe – sollte idealerweise immer die gleiche Ausgangssituation bei jeder einzelnen Stanzung vorfinden. Also einen Rillkanal, der nach jedem Rillzyklus automatisch wieder in die Ausgangsposition zurückfedert.

Bereits seit einiger Zeit hat man bei uns im Hause mit neuartigen Materialkombinationen experimentiert. Dies ist dadurch möglich geworden, dass wir das Vormaterial für unsere Rillkanäle selbst, im eigenen Hause herstellen. Es wurden also Hunderte von Materialkombinationen getestet und Ende 2015 ist dann der Durchbruch gelungen: Rillkanäle gefertigt aus einer untrennbar verbundenen, mehrlagigen Materialkombination. Eine solide Basis mit einer flexibleren Oberschicht.

„Konstante und messbare Rillqualität über einen extrem langen Produktionszeitraum kann wahrlich als Revolution in unserer Industrie bezeichnet werden.“

Diese neuen Rillkanäle wurden nun in gleicher Weise getestet wie oben beschrieben und das erstaunliche Ergebnis war, dass es bis zu einer Auflage von etwa 425.000 Stanzungen keinerlei Abweichung bei der Rillwulst und beim Rillkanal mehr gab – von Stanzung Nummer eins bis zur Stanzung 425.000 exakt die gleiche Rillqualität. In Praxistest wurde nachgewiesen, dass dieses neue Material als Nebeneffekt zu einem stark verbesserten Materialflow in den Stanzautomaten führt, was eine weitere Steigerung der Produktionseffizienz bedeutet.

  

CITO ULTIMATE

Konstante und messbare Rillqualität über einen extrem langen Produktionszeitraum kann wahrlich als Revolution in unserer Industrie bezeichnet werden. Mit den 425.000 Stanzungen im beschriebenen Testmaterial wurde das Limit des neuen Materials bisher nicht erreicht, weitere intensive Praxistests laufen noch. Jürgen Mariën, der CEO von CITO auf die Frage, wann die neuen Produkte auf den Markt kommen: Noch vor der drupa werden wir die neuen Produkte serienreif anbieten können – als zusätzliches Produkt mit dem Namen ULTIMATE.

Autor: Jürgen Mariën, CEO der CITO‑SYSTEM GmbH, Schwaig / Deutschland; er beschäftigt sich seit 35 Jahren mit dem Thema „die perfekte Rillung“.

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